Kein grenzenloses Recht auf Entgeltfortzahlung wegen Krankheit

Das BAG hat in letzter Zeit in mehreren Entscheidungen Grenzen für den Entgeltfortzahlungsanspruch gezogen.

Diese Rechtsprechung bedeutet nicht mit Sicherheit, dass der Arbeitgeber am Ende tatsächlich keine Entgeltfortzahlung leisten muss. Der Weg zur Entgeltfortzahlung wurde allerdings unter gewissen Voraussetzungen ziemlich erschwert.

  1. Krankschreibung während der Kündigungsfrist
    Der fast schon reflexartigen Krankschreibung mit Ausspruch einer Kündigung schob das BAG einen Riegel vor (BAG vom 08.09.2021 – AZR 5 AZR 149/21 und kürzlich bestätigt durch BAG am 13.12.2023 – 5 AZR 137/22).
    Arbeitnehmer, die in zeitlichem Zusammenhang mit einer Kündigung dem Arbeitgeber ein Attest oder mehrere Atteste vorlegen und damit die gesamte Dauer der Kündigungsfrist abdecken, können nicht mehr damit rechnen, durchgehend Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber zu erhalten. Das gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer sofort im Anschluss an das beendete Arbeitsverhältnis in der Lage ist den neuen Job anzutreten.
    Der hohe Beweiswert des ärztlichen Attestes ist durch dieses Verhalten erschüttert und deswegen muss der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, dass er tatsächlich arbeitsunfähig krank gewesen ist. Es ist also nicht Sache des Arbeitgebers zu beweisen, dass der Arbeitnehmer trotz des Attestes gar nicht krank gewesen ist.

  2. Einheit des Verhinderungsfalles
    Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass jede Krankheit einen sechswöchigen neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung auslöst. Der Grundsatz von der Einheit des Verhinderungsfalles ist oft unbekannt.
    Schwer hat es ein Arbeitnehmer, der arbeitsunfähig krank ist und nach sechs Wochen dem Arbeitgeber ein Attest vorlegt, das vom Arzt als Erstbescheinigung ausgestellt wurde. Aber: Krank ist krank und es ist ohne Bedeutung, ob während einer bestehenden Krankheit noch eine weitere hinzutritt.
    Wegen der Einheit des Verhinderungsfalles kann selbst eine neue Erkrankung nicht ohne weiteres die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung wegen Krankheit auslösen. Das gilt insbesondere dann, wenn zwischen erster und zweiter Krankheit kein Tag gearbeitet wurde. Häufig reicht das Attest wegen der ersten Krankheit bis Freitag und das Attest wegen er neuen Krankheit wurde am Montag der Folgewoche ausgestellt, wobei zwischen des Attesten ein arbeitsfreies Wochenende liegt.
    BAG vom 11.12.2019 – 5 AZR 505/18

  3. Fortsetzungserkrankung
    Nach sechs Wochen Entgeltfortzahlung hat der Arbeitgeber seine gesetzliche Pflicht grundsätzlich erfüllt. Treten weitere Krankheiten auf, dann stellt sich die Frage, ob das tatsächlich neue Erkrankungen sind oder ob diese nicht doch och auf das möglicherweise noch gar nicht ausgeheilte Grundleiden zurückgehen. Dann wären es keine neuen Erkrankungen, sondern Fortsetzungserkrankungen. Dann wäre der Arbeitgeber nicht zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Selbst eine andere Bezeichnung der neuen Krankheit (>>> Diagnoseschlüssel) bedeutet nicht, dass diese nicht auf demselben Grundleiden beruht, wie die erste Krankheit.
    Wenn der Arbeitgeber bereits sechs Wochen Entgeltfortzahlung geleistet hat und er aus Anlass einer erneuten Krankheit behauptet, das sei eine Fortsetzungskrankheit, dann muss der Arbeitnehmer darlegen und Beweis dafür antreten, dass es sich tatsächlich um eine neue Krankheit handelt.
    BAG vom 18.01.2023 – 5 AZR 93/22
    Für Fortsetzungserkrankungen besteht nur unter im gesetzlichen Rahmen des § 3 Abs. 1 Satz 2 (Alt. 1 oder Alt. 2) EFZG ein neuer Anspruch auf sechs Wochen Entgeltfortzahlung.